Deutsch-sowjetische Siegesparade in Brest-Litowsk

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Guderian, Kriwoschein und Mauritz von Wiktorin inspizieren Truppen während der Übergabe von Brest-Litowsk an die Rote Armee[1][2]

Die deutsch-sowjetische Siegesparade in Brest-Litowsk (russisch Парад вермахта перед частями РККА в Бресте) war eine Militärparade am 22. September 1939 anlässlich des Abzugs der deutschen Truppen. Die Bilder der Parade markieren die Teilung Polens zwischen dem NS-Staat und der Sowjetunion auf der Grundlage des Hitler-Stalin-Pakts.[3][4]

Vereinbarung zu Abzugsmodalitäten vom 21. September 1939

Im zweiten Punkt des geheimen Zusatzprotokolls des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts wurde eine Demarkationslinie festgelegt, an der sich Brest-Litowsk befand.[5][6] Die Stadt hatte für Josef Stalin eine große Bedeutung, weil der deutsch-sowjetische Friedensvertrag des Ersten Weltkriegs dort unterzeichnet wurde.[7]

Während der Schlacht um Warschau deckte Heinz Guderians XIX. Armeekorps die 3. Armee von rechts, bis die Rote Armee ankam. Nachdem es die Nachricht der Überquerung der Grenze durch die Rote Armee erhalten hatte, gab das deutsche Kommando den Befehl seine Truppen an der Demarkationslinie zu stoppen. Die Belagerung von Brest-Litowsk wurde von den Deutschen begonnen und von der Roten Armee vollendet. Guderian glaubte, dass Brest-Litowsk auf Dauer unter deutscher Besatzung bleiben würde. Er wurde aber vom Auswärtigen Amt angewiesen, die Stadt bis zum 22. September zu räumen und den sowjetischen Truppen zu übergeben.[8] Laut Guderian war der Abzug von der Brester Festung so „hastig, dass wir nicht ein mal all unsere Verwundeten transportieren und all unsere beschädigten Panzer wiedererlangen konnten.“ Anschließend kam es zu einer gemeinsamen deutsch-russischen Parade, welche die deutsche Übergabe Brest-Litowsks und der Brester Festung an die sowjetischen Panzerdivisionen markierte. Guderian und Semjon Kriwoschein, der Leiter der leichten Panzerbrigade, nahmen die Parade ab, standen auf einer improvisierten niedrigen Plattform und schüttelten Hände. Sie konnten beide Französisch sprechen und sich so unterhalten.[1][2][9][10][11][12]

Die Offiziere beider Armeen vereinbarten, wie die Demarkationslinie etabliert werden sollte und welche Musik die Militärmusikdienste spielen sollten. Hinter den Kulissen gab es Verhandlungen über die Auslieferung deutscher und österreichischer Kommunisten, die nach der Machtergreifung in die Sowjetunion geflüchtet waren. Ein Willkommensbogen mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol und zwei Hakenkreuzen wurde errichtet. Auf der Parade fuhren Motorräder, mit Blumen geschmückte Panzer und Mannschaftstransportwagen. Soldaten der Wehrmacht und der Roten Armee marschierten in Kolonnen. Der sowjetische Militärmusikdienst spielte die Internationale und die Hymne der Sowjetunion. Der deutsche Militärmusikdienst spielte Erika und das Horst-Wessel-Lied. Deutsche und sowjetische Offiziere salutierten vor der Hakenkreuzflagge. Sowjetische Soldaten zeigten den Hitlergruß. Ein Grenzstein wurde gesetzt, der die Sowjetunion und die von Deutschland besetzte Zone voneinander trennte. Als der letzte Panzer vorbeigefahren war, hielt Guderian eine kurze Rede und befahl das Einholen der Hakenkreuzflagge, die durch die Hammer und Sichel-Flagge ersetzt wurde.[1][12][13][14][15][8] Während der Parade haben die beiden Seiten sich um die Kriegsbeute der Stadt gestritten.[9]

Kurz darauf tauschten das NKWD und die Gestapo Gefangene aus.[16] Kriwoschein hat auf Geheiß des Kreml dutzende deutsche Kommunisten, darunter viele Juden, ausgehändigt.[17]

Nachdem der SMERSch während der Schlacht um Berlin in deutschen Unterlagen Bilder von Kriwoschein bei der Parade gefunden hatte, verhörte er ihn. Kriwoschein beteuerte, er habe keine geheimen Kontakte zu Guderian gehabt. Er habe ihm versprochen, als Gast nach Berlin zu kommen.[11]

Willkommensbogen mit dem Hammer und Sichel-Symbol und zwei Hakenkreuzen

Die Parade wurde mit deutschen Kameras aufgenommen und in der deutschen Wochenschau sowie vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Kurt Frowein) gefeiert.[12][18] In der sowjetischen Presse wurde die Parade ignoriert.[19]

Für die deutsche Regierung sollte die gemeinsame Parade den Westalliierten das positive Verhältnis zwischen dem NS-Staat und der Sowjetunion darstellen und die Gefahr eines bevorstehenden Zweifrontenkrieges für Deutschland bestreiten.[8]

Laut Samuel Ziegelbaum, einem Mitglied des polnischen Nationalrats, hat die Bevölkerung von Brest-Litowsk, besonders die Juden, entgeistert reagiert.[15]

Laut einem Editorial der New York Times dienten die sowjetischen Kommandeure als „Hyäne für den deutschen Löwen.“[20]

Die Deutschen waren von der russischen Disziplin und Ausrüstung nicht beeindruckt. Dieser Eindruck trug zu ihrer Unterschätzung der russischen Armee in den folgenden zwei Jahren bei.[21]

Laut Guderian war es für die Deutschen unvorteilhaft, Brest-Litowsk aufzugeben, weil sie das dortige Öl brauchten, um die bei der Eroberung Galiziens erlittenen Verluste zu lindern.[9]

Einige russische Historiker und Beamten sprachen nicht von einer Parade, sondern von einem „feierlichen Marsch“ oder einer „zeremoniellen Prozession.“[1] Wladimir Medinski nannte die Parade einen „offiziellen Rückzug der deutschen Truppen unter der Aufsicht sowjetischer Offiziere.“[3][4] Der deutsche Historiker Dan Diner weist darauf hin, dass es kein gemeinsames Defilee gegeben habe, sondern auf den Bildern nur der Vorbeimarsch deutscher motorisierter Verbände zu erkennen sei. Die von deutschen Militärfotografen gemachten Bilder ergäben nur in der propagandistisch kommentierten Gesamtschau das Bild einer gemeinsamen „Siegesparade“. Ein Bild das Goebbels benötigte, um die deutsche Bevölkerung zu beruhigen, dass sich keine Auseinandersetzung mit Russland oder ein Zweifrontenkrieg ankündige.[22]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Jefim Schuman: Парад вермахту та Червоної армії в Бресті: як це відбувалось. In: Deutsche Welle. 22. September 2020, abgerufen am 10. August 2023.
  2. a b Maksym Maĭorov, Oleksandr Zinchenko, Volodymyr V'i︠a︡trovych: The war and myth - unknown WWII, 1939-1945. Ukrainisches Institut für Nationale Erinnerung, 2018, ISBN 978-966-13-6558-1, Kapitel „Myth 5“.
  3. a b Klaus Larres, Ruth Wittlinger: Understanding Global Politics - Actors and Themes in International Affairs. Taylor & Francis, 2019, ISBN 978-1-134-81867-9, Kapitel 7: „Russia's resurgent political identity“.
  4. a b Peter Eltsov: The Long Telegram 2.0 - A Neo-Kennanite Approach to Russia. Lexington Books, 2019, ISBN 978-1-79360-239-8, S. 73.
  5. Ray Brandon, Timothy Snyder: Stalin and Europe - Imitation and Domination, 1928-1953. Oxford University Press, 2014, ISBN 978-0-19-994557-3, S. 268.
  6. Mark Kramer, Vit Smetana: Imposing, Maintaining, and Tearing Open the Iron Curtain -The Cold War and East-Central Europe, 1945–1989. Lexington Books, 2014, ISBN 978-0-7391-8186-7, S. 8–9.
  7. Ian Tinny, Rex Curry: BLACK SUN - the Mythological Background of National Socialism. No Pledge Publishing, 2021, S. 366.
  8. a b c Gerhard Simon: Die „Beutepartnerschaft“ der Diktatoren. In: libmod.de. 22. September 2019, abgerufen am 11. August 2023.
  9. a b c Stephen Kotkin: Stalin - Waiting for Hitler, 1929-1941. Penguin Publishing Group, 2017, ISBN 978-0-7352-2448-3, S. 686.
  10. Rolf-Dieter Müller: Enemy in the East - Hitler's Secret Plans to Invade the Soviet Union. Bloomsbury Publishing, 2014, ISBN 978-0-85772-684-1, S. 158.
  11. a b John Erickson: Stalin's War with Germany: The road to Berlin. Yale University Press, 1999, ISBN 978-0-300-07813-8, S. 618.
  12. a b c Richard Hargreaves: Blitzkrieg Unleashed - The German Invasion of Poland, 1939. Stackpole Books, 2010, ISBN 978-0-8117-0724-4, S. 186.
  13. Alan Axelrod: Victory - World War II in Real Time. Hrsg.: Associated Press. Union Square & Company, 2021, ISBN 978-1-4549-4117-0, Kapitel 1: „1939“.
  14. Leonard Chepel: To Be Missing. AuthorHouse UK, 2023, ISBN 979-88-2308007-1, Kapitel 1: „On the Eve“.
  15. a b Congressional Record - Proceedings and Debates of the 80th Congress First Session. Band 93. U.S. Government Printing Office, 1. April 2022, S. A2175.
  16. Peter Hitchens: The Phoney Victory - The World War II Illusion. Bloomsbury Publishing, 2018, ISBN 978-1-78673-428-0, S. XVIII.
  17. Fazle Chowdhury: WHY UKRAINE MATTERS. Alpha Book Publisher, 26. Oktober 2022, S. 377.
  18. R. C. Raack: Stalin’s Drive to the West, 1938-1945 - The Origins of the Cold War. Stanford University Press, ISBN 978-0-8047-6465-0, Kapitel 3: „Behind Red Army lines: Poland“.
  19. Martin Kitchen: A World in Flames - A Short History of the Second World War in Europe and Asia 1939-1945. Taylor & Francis, 2014, ISBN 978-1-317-90094-8, Kapitel 3: The Attack on the Soviet Union (June 1941 - December 1941).
  20. Allen Paul: Katyn - Stalin’s Massacre and the Triumph of Truth. Cornell University Press, 2010, ISBN 978-1-5017-5720-4, S. 38.
  21. John Lukacs: The Last European War - September 1939/December 1941. Yale University Press, 2001, ISBN 978-0-300-08915-8, S. 270.
  22. Dan Diner: Gegenläufige Gemeinsamkeiten – Der Pakt als Ereignis und Erinnerung. In: Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer. Hrsg.: Anna Kaminsky, Dietmar Müller und Stefan Troebst, Wallstein, ISBN 978-3-8353-0937-1, S. 42 f.
Commons: Deutsch-sowjetische Siegesparade in Brest-Litowsk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien