Okkupation

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Bei einer Okkupation oder Besetzung (je nach Kontext auch Besatzung; von lateinisch occupare ‚besetzen‘) wird in einem bevölkerten Gebiet die vorhandene Gebietshoheit durch einen externen Machthaber auf dessen Initiative durch die seinige ersetzt. Dies geschieht meist mit militärischen Mitteln wie zum Beispiel einer Invasion. Daneben wird im Völkerrecht auch die Besetzung eines herrenlosen Gebietes durch eine Staatsmacht als Okkupation bezeichnet. Bei Einsatz von militärischer Gewalt und einer dauerhaften Integration des betroffenen Territoriums in den eigenen Herrschaftsbereich wird eine Okkupation als Eroberung bezeichnet.

In jüngerer Zeit zeichnet sich eine Besetzung auch dadurch aus, dass die Okkupationsmacht völkerrechtlich nicht zur legalen Exekutive wird. Im Gegensatz zur Annexion wird das fremde Territorium jedoch nicht dem eigenen Staatsgebiet staats- und völkerrechtlich einverleibt. Es wird keine Staatshoheit nach erlangter Gebietshoheit durch externe Machthaber auf deren Initiative hin errichtet, wodurch kein Gebietszuwachs erfolgt, und es wird kein Besatzungsgebiet zu Staatsgebiet. Nach Unabhängigkeit strebende Bevölkerungsgruppen bezeichnen häufig den Staat, der ihr Territorium beherrscht, als Besatzungsmacht, auch wenn es sich dabei um keine Okkupation im juristischen Sinne handelt. Okkupanten sind analog dazu einzelne Vertreter der Besatzungsmacht oder ihre im Lande anwesende Gesamtheit.

Bei der Okkupation wird zwischen friedlicher (occupatio pacifica) und kriegerischer Besetzung (occupatio bellica) unterschieden.

Friedliche Okkupation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die (friedliche) Okkupation ist nach dem Völkerrecht die Inbesitznahme eines herrenlosen Territoriums, das zuvor nicht zum Staatsgebiet der aneignenden Macht gehörte. Voraussetzung ist der erklärte Wille zur Aneignung und die effektive Ausübung der Herrschaft über das besetzte Gebiet. Zudem muss dieses Gebiet unentdeckt gewesen oder von seinem früheren Souverän aufgegeben (Dereliktion) worden sein.[1]

Die friedliche Okkupation spielte während der Kolonialisierung und europäischen Expansion eine zentrale Rolle. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Erwerb außereuropäischer Gebiete zunächst mit dem Missionsauftrag Jesu Christi und der päpstlichen Autorität begründet, wie zum Beispiel in der Papstbulle Inter caetera von 1493 oder im Vertrag von Tordesillas (1494). Seit dem 17. Jahrhundert trat demgegenüber die Theorie der terra nullius in den Vordergrund, also des herren- bzw. staatenlosen Gebiets. Dieses durfte man, wie Johann Jacob Moser 1778 formulierte, jeder europäische Souverän seiner Herrschaft unterwerfen, sofern er seine Staatsgewalt dort auch realiter durchsetzen konnte. Dies Gebiet durfte ihm dann von keiner anderen europäischen Macht strittig gemacht werden. Dies stand im Widerspruch zur gängigen Praxis des Kolonialismus, wonach die Inbesitznahme außereuropäischer Gebiete zumeist auf dem Wege über Verträge mit einheimischen Herrschern erfolgte. Da das bloße Vorhandensein außereuropäischer Herrscher die Rechtsfigur der terra nullius Lügen strafte, entwickelte man eine Theorie abgestufter Souveränität, nach der die europäischen Staaten Souveränität im vollen Wortsinne ausübten, außereuropäische Potentaten nur eingeschränkt und Nomaden jeglicher Staatlichkeit entbehrten. Noch 1884 wurde die Rechtsfiktion der terra nullius der Kongoakte zugrunde gelegt, mit der die Kolonialisierung großer Teile Afrikas durch die europäischen Mächte geregelt wurde. Ebenso lag sie der europäischen Besiedlung Australiens und dem Apartheid-Regime in Südafrika zugrunde.[2]

Kriegerische Okkupation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Haager Landkriegsordnung von 1907, ein früher Bestandteil des Kriegsvölkerrechts, begrenzt die Gewaltausübung bei der Besetzung eines feindlichen Territoriums, auch als occupatio bellica bezeichnet.

Das dadurch entstehende Rechtsregime zielt auf den Ausgleich zwischen drei sich potenziell widersprechenden Interessen: den Sicherheitsinteressen der Besatzungsmacht, den Souveränitätsinteressen des Staates, dem das besetzte Gebiet weiterhin zugehörig ist, und den Interessen von dessen Bevölkerung. Diese darf zum Gehorsam gegenüber der Besatzungsmacht genötigt werden, auch wenn de jure eine Gehorsamspflicht nicht besteht. Propaganda für den Eintritt in die eigenen Streitkräfte ist unzulässig. Durch die Besetzung ist die Besatzungsmacht für die Wohlfahrt der ansässigen Bevölkerung verantwortlich und muss sie vor Gewalthandlungen, namentlich Plünderungen schützen. Desgleichen muss sie die hinreichende Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Leistungen sowie die Instandhaltung notwendiger Elemente der Infrastruktur gewährleisten. Sie hat die Rechtsordnung des besetzten Gebietes grundsätzlich unangetastet zu lassen, sofern diese nicht menschenrechtswidrig ist. Deportationen und Bevölkerungstransfers sind verboten. Diese Schutzverpflichtungen dürfen nicht durch eine Annexion des Gebiets umgangen werden. Sie sind verbindlich von dem Moment an, wo die eigenen Streitkräfte de facto eine gewisse Kontrolle über das in Frage stehende Gebiet haben, und enden mit dessen Verlust.[3]

Beispiele militärischer Besetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historische Besetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegenwärtige Besetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wiktionary: Okkupation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Marten Breuer: Gebietserwerb, staatlicher. In: Burkhard Schöbener (Hrsg.), Völkerrecht. Lexikon zentraler Begriffe und Themen, C.F. Müller, Heidelberg 2014, S. 110.
  2. Andrea Weindl: Inter Caetera, mare liberum und terra nullius – das europäische Völkerrecht und die außereuropäische Welt. In: Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke (Hrsg.): Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-71928-4, S. 354–360 und 375–381.
  3. Michael Bothe: Friedenssicherung und Kriegsrecht. In: Wolfgang Graf Vitzthum und Alexander Proelß (Hrsg.): Völkerrecht. 7. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-044130-7, S. 855 f., Rn. 82.
  4. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. WBG, Darmstadt 2006, S. 239 f. und 252.
  5. Raymond Poidevin und Jacques Bariéty: Frankreich und Deutschland. Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815–1975. C.H. Beck, München 1982, S. 120 und 128.
  6. Alan McPherson: A Short History of U.S. Interventions in Latin America and the Caribbean. John Wiley & Sons, Chichester 2016, S. 63–68 und 106.
  7. Peter Krüger: Die Außenpolitik der Republik von Weimar. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, S. 199–206.
  8. Hans-Erich Volkmann: Bericht aus der Forschung: Zur nationalsozialistischen Aufrüstung und Kriegswirtschaft, Militärgeschichtliche Zeitschrift, Bd. 47, Heft 1, 1990, DOI:10.1524/mgzs.1990.47.1.133 (öffentlich zugänglich im Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2014, abgerufen am 21. Oktober 2022), S. 165–167.
  9. Bernhard Diestelkamp: Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte. Historische Betrachtungen zur Entstehung und Durchsetzung der Theorie vom Fortbestand des Deutschen Reiches als Staat nach 1945. In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 7 (1985), S. 185.
  10. Georg Dahm, Jost Delbrück, Rüdiger Wolfrum: Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 225 mit weiteren Nachweisen; Theo Stammen, Gerold Maier: Das Alliierte Besatzungsregime in Deutschland. In: Josef Becker, Theo Stammen, Peter Waldmann (Hrsg.): Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen Kapitulation und Grundgesetz. UTB/W. Funk, München 1979, S. 61 f.
  11. Facts About The 17-Point „Agreement“ Between Tibet and China (PDF; 2,7 MB), Part One: „The 17-Point Agreement“ – The full story as revealed by the Tibetans and Chinese who were involved. DIIR Publications 2001.
  12. Oliver Dörr: Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession. Duncker & Humblot, Berlin 1995, S. 363–369; Marcus Hölzl: Tibet – vom Imperium zur chinesischen Kolonie: Eine historische und gesellschaftstheoretische Analyse. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009, S. 71–84.
  13. P. J. Drooglever: An act of free choice : decolonization and the right to self-determination in West Papua. Oneworld, Oxford 2009, ISBN 1-85168-715-7.
  14. Jörg Menzel, Tobias Pierlings, Jeannine Hoffmann (Hrsg.): Völkerrechtsprechung. Ausgewählte Entscheidungen zum Völkerrecht in Retrospektive, Mohr Siebeck, Tübingen 2005, S. 146.
  15. Russia’s Occupation of Georgia and the Erosion of the International Order, Commission on Security and Cooperation in Europe, abgerufen am 30. September 2022.
  16. Military occupation of Georgia by Russia, Rule of Law in Armed Conflicts Project (RULAC), Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights, abgerufen am 30. September 2022.
  17. Oscar Valero: Ein Fünftel der Ukraine besetzt, Euronews, 4. Juni 2022.